John Hiatt in Hamburg – Seven Shades of Rock
Gestern Abend spielte John Hiatt in der Hamburger Fabrik. Ich hatte mich vorher nicht informiert, ob er mit Band oder solo auftreten würde. Da es in den Programmübersichten nur „John Hiatt“ hieß, rechnete ich mit ihm solo auf der Bühne. Musikalisch habe ich einen ruhigen, folkigen Abend erwartet – only a man and his guitar. Weit gefehlt. Es wurde ein herausragendes Rock-Konzert.
Mit vier Begleitmusikern steht Hiatt gegen 21 Uhr auf der Bühne in Altona. „The Combo“ begleitet ihn mit Bass, Schlagzeug, Gitarre bzw. Mandoline und Harmony Vocals. Hiatt selbst spielt Gitarre. Ungewöhnlich: Der Backgroundsänger ist ansonsten für das Stimmen der Saiteninstrumente zuständig, steht etwas abseits bei den Gitarren, meist im Dunkeln.
Sichtlich guter Stimmung und in Spiellaune eröffnet Hiatt das Konzert, bestehend aus der zu erwartenden Mischung aus alt und neu. Cry Love und Slow Turning gehören zu den Klassikern. Aus Memphis in the meantime macht er in routinierter Weise einen sing-along-song.
Musikalisch gestaltet sich der Abend sehr abwechslungsreich. Natürlich ist alles Rock. Aber wer glaubt, dass es der fast 60jährige ruhig angehen lässt, liegt falsch. In Anlehnung an eine alte Geschichte von Paul Simon geht mir der Ausdruck seven shades of rock durch den Kopf. Für mich ein passender Titel für das Konzert. Folk Rock, Country Rock, wie sich das für einen Mann aus Nashville gehört. Schwerer Southern Rock ist auch dabei, kraftvoll mit starken Instrumentalparts in denen die Gitarre dominiert. Die Wucht, mit der er Down Around My Place von seinem aktuellen Album spielt, ist die Wucht der Naturkatastrophe von der er singt (die verheerende Flut vor zwei Jahren). Die Power kommt nicht nur von seiner Stimme, sie kommt vor allem von seiner sehr guten Band. Mit dem Drummer spielt John Hiatt – wie er sagt – schon seit langem zusammen und auch der Gitarrist dürfte in Hiatts Alter sein. Der Bassist sieht eher nach Mitte 20 aus, spielt seinen Part aber nicht schlechter als die anderen. Der Begleitsänger (und Gitarrenroadie), der äußerlich einer Rockabilly-Band und gerade eben dem Teenageralter entsprungen ist, fügt Hiatts Gesang einige Nuancen hinzu, die den Vokalanteil der Songs perfektionieren.
Zwischendurch erzählt Hiatt die Geschichte von seinem Musiklehrer, der ihm beibringen wollte, Noten zu lesen. Doch er wollte Musik nicht lesen, er wollte einfach nur spielen, mit nur drei Akkorden nur Rock’n’Roll spielen, guten alten Old School Rock. Und das macht er an diesem Abend in Hamburg. Die Fans kommen auf ihre Kosten. Dabei darf Have a little faith in me nicht fehlen. Nach der Zugabe spielt er seinen Klassiker vom legendären Album Bring the Family. Eine gute Version, natürlich anders als auf dem Album, wo er sich allein am Piano begleitet. Der eigentliche Höhepunkt sollte aber noch kommen. Eine wahrlich fulminante Performance von Riding with the king krönt nicht nur die Zugabe, sondern das ganze Konzert. Blues Rock wie er besser nicht sein kann. (Die hier gezeigte Youtube-Version kommt nicht ran)
Nach fast 40 Jahren im Musikgeschäft, nach mehr als 20 Studioalben, nach zahlreichen persönlichen Rückschlägen, nachdem zahllose Größen der Szene, von Bob Dylan über Bruce Springsteen und Bonnie Raitt bis zu Eric Clapton und B.B.King, seine Songs gespielt haben, hat John Hiatt an der Barnerstraße in Hamburg-Ottensen nicht nur bewiesen, dass er einer der besten Songwriter ist, sondern auch einer der besten Performer. Hut ab vor diesem Musiker!
PS: Wer mitzählt, stellt fest, dass ich nicht auf meine Seven shades of rock gekommen bin. Also füge ich zu Folk Rock, Country Rock, Southern Rock, Rock’n’Roll, Old School Rock, Blues Rock noch eine Eigenkreation hinzu: Rythm’n’Blues’n’Rock.